Verbotene Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen

Aus unterschiedlichen Gründen dürfen manche Informationen oder Dokumente aus Gerichtsverhandlungen nicht an die Öffentlichkeit gelangen. Wer dieser Vorschrift zuwiderhandelt, macht sich gem. § 353d StGB strafbar. Doch wann treten solche Fälle ein, welche Handlungen erfüllen den Strafbestand und welche Strafen können hierbei drohen – die Antworten finden Sie in diesem Beitrag.

Autor

Tommy Kujus

Aktualisiert

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    Das sagt das Gesetz: § 353d StGB

    Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

    1. entgegen einem gesetzlichen Verbot über eine Gerichtsverhandlung, bei der die Öffentlichkeit ausgeschlossen war, oder über den Inhalt eines die Sache betreffenden amtlichen Dokuments öffentlich eine Mitteilung macht,
    2. entgegen einer vom Gericht auf Grund eines Gesetzes auferlegten Schweigepflicht Tatsachen unbefugt offenbart, die durch eine nichtöffentliche Gerichtsverhandlung oder durch ein die Sache betreffendes amtliches Dokument zu seiner Kenntnis gelangt sind, oder
    3. die Anklageschrift oder andere amtliche Dokumente eines Strafverfahrens, eines Bußgeldverfahrens oder eines Disziplinarverfahrens, ganz oder in wesentlichen Teilen, im Wortlaut öffentlich mitteilt, bevor sie in öffentlicher Verhandlung erörtert worden sind oder das Verfahren abgeschlossen ist.

Was ist eine „verbotene Mitteilung über Gerichtsverhandlungen“?

Eine solche Tat liegt vor, wenn der Täter vorsätzlich Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen oder andere amtliche Dokumente macht, zu denen er nicht befugt ist.

Wann ist eine „verbotene Mitteilung über Gerichtsverhandlungen“ strafbar?

Der Straftatbestand schützt insbesondere die Staatssicherheit, die Rechtspflege sowie die Betroffenen des Verfahrens. Dem strafrechtlichen Schutz unterfallen insbesondere Dokumente wie Anklagen bzw. Anklageschriften, Straf- oder Haftbefehle und Durchsuchungsbeschlüsse.

Um sich nach § 353d StGB strafbar zu machen, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein.

Tathandlung

Die verbotene Mitteilung von Gerichtsverhandlungen kann durch drei verschiedene Handlungsweisen des Täters herbeigeführt werden.

Mitteilungen über nichtöffentliche Verhandlungen (Nr. 1)

Nach Nr. 1 macht sich strafbar, wer öffentliche Mitteilungen über eine Gerichtsverhandlung macht, bei der die Öffentlichkeit ausgeschlossen wurde. Gleiches gilt für für das Öffentlichmachen entsprechender Schriftstücke.

Es muss sich also um eine Verhandlung unter Ausschluss der Öffentlichkeit handeln. Im Grundsatz sind Gerichtsverhandlungen öffentlich. Ausnahmen nennt das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) – also insbesondere Verfahren gegen Jugendliche (Jugendstrafverfahren) oder unter Beteiligung von Kindern.

Der Sinn und Zweck ist klar: Findet eine gerichtliche Hauptverhandlung unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, darf dies nicht dadurch umgangen werden, dass Informationen des Verfahrens dennoch nach außen gelangen.

Mitteilungen entgegen einer gesetzlichen Schweigepflicht (Nr. 2)

Nach § 353d Nr. 2 StGB wird bestraft, wer entgegen einer gesetzlichen Schweigepflicht, Tatsachen aus einer nicht-öffentlichen Gerichtsverhandlung oder eines entsprechenden Dokumentes unbefugt offenbart.

Als gesetzliche Schweigepflicht kommt insoweit nur § 174 Abs. 3 GVG infrage. Dieser lautet:

Ist die Öffentlichkeit wegen Gefährdung der Staatssicherheit oder aus den in §§ 171b und 172 Nr. 2 und 3 GVG bezeichneten Gründen ausgeschlossen, so kann das Gericht den anwesenden Personen die Geheimhaltung von Tatsachen, die durch die Verhandlung oder durch ein die Sache betreffendes amtliches Schriftstück zu ihrer Kenntnis gelangen, zur Pflicht machen. Der Beschluss ist in das Sitzungsprotokoll aufzunehmen. Er ist anfechtbar. Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung.

Verbotene Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen

Veröffentlichung von Anklage und anderen amtlichen Dokumenten (Nr. 3)

Den ersten beiden Nummern der Vorschrift kommt eine eher geringe Bedeutung zu. Praktisch weitaus relevanter ist Nr. 3. Danach ist es strafbar, eine Anklageschrift oder andere amtliche Dokumente öffentlich mitzuteilen. Die Mitteilung ist dabei nur strafbar, soweit diese vor Erörterung des Gegenstandes in einer öffentlichen Verhandlung oder vor Abschluss des Verfahrens erfolgt. Zudem muss die Veröffentlichung ganz oder in wesentlichen Teilen, im Wortlaut erfolgen.

Ganz oder in wesentlichen Teilen

Die bloße Erwähnung des Tatvorwurfs in einer Anklageschrift unterfällt noch nicht der Vorschrift. Auch die reine Berichterstattung über ein Strafverfahren verwirklicht keinen Straftatbestand.

Wer hingegen den vollständigen Text oder ein Foto einer Anklage, eines Haftbefehls oder eines Durchsuchungsbeschlusses ins Internet stellt oder über Facebook, Twitter oder Instagram verbreitet, veröffentlicht dieses Dokument in strafbarer Weise. Wann ein wesentlicher Teil betroffen ist, kommt auf den konkreten Einzelfall an. Die Mitteilung eines Teilbereichs ist in Relation zum konkreten Gesamtdokument zu setzen. Die Mitteilung eines Anklagesatzes stellt zusammen mit der Bezeichnung der vorgeworfenen Tat(en) und der Konkretisierung nach Ort und Zeit der Begehung jedenfalls einen wesentlichen Teil dar.

Vorsatz

Der Täter muss die verbotene Mitteilung vorsätzlich begangen haben. Er muss diese also mit Wissen und Wollen verwirklicht haben. Hierbei ist ausreichend, dass der Täter den Straftatbestand billigend in Kauf genommen und zumindest für möglich gehalten hat (sog. Eventualvorsatz).

Versuch

Der Versuch ist mangels gesetzlicher Verankerung nicht strafbar.

Strafantrag

Bei der verbotenen Mitteilung über Gerichtsverhandlungen handelt es sich um ein sogenanntes Offizialdelikt. Das bedeutet, dass eine solche Straftat durch die Strafverfolgungsbehörde (Staatsanwaltschaft) bei Kenntniserlangung von Amts wegen verfolgt wird. Ein Antrag durch den Geschädigten oder dessen gesetzlichen Vertreter ist daher nicht erforderlich.

Beispiele aus der Praxis

Veröffentlichung der eigenen Anzeige

Wer selbst von einem Ermittlungsverfahren oder einer Anklage betroffen ist, kann nicht einfach selbst entscheiden, ob diese Dokumente veröffentlicht werden sollen. Auch mit ausdrücklicher Zustimmung durch den Betroffenen selbst dürfen sensible Informationen über Gerichtsverhandlungen nicht veröffentlicht werden.

Zwar dient die Vorschrift einerseits dem Schutz der Persönlichkeitsrechte der Verfahrensbeteiligten. Die Vorschrift soll aber ebenso andererseits verhindern, dass Schöffen oder Zeugen durch eine vorzeitige Veröffentlichung amtlicher Schriftstücke in ihrer Unbefangenheit beeinträchtigt werden könnten.

Veröffentlichung eines Haftbefehls

Der derzeit wohl populärste Fall handelt von der Veröffentlichung eines Haftbefehls gegen einen Beschuldigten wegen des Verdachts eines Tötungsdelikts am Rande des Chemnitzer Stadtfestes im Jahr 2018.

Die Staatsanwaltschaft Dresden hat gegen einen Justizvollzugsbeamten wegen der Veröffentlichung des Haftbefehls auf einer Facebook-Seite Anklage zum Amtsgericht Dresden (Schöffengericht) erhoben. Dem Beschuldigten wird die Verletzung des Dienstgeheimnisses in Tateinheit mit verbotenen Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen gemäß §§ 353b Abs. 1 Nr. 1, 353d Nr. 3, 52 StGB zur Last gelegt.

Ihm wird vorgeworfen, am 28.08.2018 selbst gefertigte Fotos eines Haftbefehls an Dritte weitergeleitet und damit die unkontrollierte Veröffentlichung ermöglicht zu haben. Den veröffentlichten Haftbefehl hatte das Amtsgericht Chemnitz am 27.08.2018 gegen einen Beschuldigten wegen des Verdachts eines Tötungsdelikts erlassen. Soweit in dem Verfahren gegen insgesamt 17 weitere Bedienstete der JVA Dresden ermittelt worden war, hat die Staatsanwaltschaft Dresden die Ermittlungen zwischenzeitlich eingestellt.

Verbotene Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen

Strafe

Die Straftat wird mit einer Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr geahndet.

Von Bedeutung ist es, ob der Beschuldigte Ersttäter oder Wiederholungstäter ist, oder ob die Tat während laufender Bewährung begangen worden ist.

Unter Umständen kann auch eine Einstellung des Verfahrens erreicht werden. Diese hat den Vorteil, dass dann keine Eintragung im Führungszeugnis erfolgt.

Verstoß gegen die Meinungsfreiheit und Pressefreiheit?

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte sich u.a. mit der Frage zu beschäftigen, ob § 353d Nr. 3 StGB gegen das Grundgesetz verstößt und einen Verstoß gegen die Meinungsfreiheit darstellt. Dabei berief sich der Beschwerdeführer auf eine ältere Entscheidung des BVerfG.

Das Verfassungsgericht führte aus (BVerfGE – 2 BvR 429/12):

(…) die im Tenor der Entscheidung vom 3. Dezember 1985 enthaltene Feststellung, dass § 353d Nr. 3 StGB “mit dem Grundgesetz vereinbar (ist), soweit die in dieser Bestimmung unter Strafe gestellte wörtliche öffentliche Mitteilung der Anklageschrift oder anderer amtlicher Schriftstücke ohne oder gegen den Willen des von der Berichterstattung Betroffenen erfolgt ist”, Gesetzeskraft. Eine ausdrückliche Feststellung, dass die Norm in jedem anderen Anwendungsfall – namentlich bei Sachverhalten, in denen die Veröffentlichung mit dem Willen des Betroffenen erfolgt – unvereinbar mit der Verfassung sei, wird nicht getroffen. Diese Feststellung kann auch nicht im Wege des Umkehrschlusses abgeleitet werden. (…) 

Zugleich sah das BVerfG weder einen Verstoß gegen die Meinungsfreiheit noch gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht gegeben.

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