Volksverhetzung

Die Volksverhetzung, die insbesondere den öffentlichen Frieden stört, kann viele verschiedenen Formen annehmen. In diesem Beitrag erfahren Sie anhand einer detaillierten Beispielliste, welche Äußerungen und Handlungen gem. § 130 StGB strafbar sind und welche Strafen dafür in Aussicht stehen können.

Autor

Tommy Kujus

Aktualisiert

Allgemeines Strafrecht

Was ist eine „Volksverhetzung“?

Die Volksverhetzung liegt insbesondere vor, wenn der Täter gegen bestimmte Gruppierungen zu Hass oder Gewalttaten aufruft bzw. aufhetzt oder bestimmte historische Ereignisse verleugnet oder verharmlost. Dies steht gem. § 130 StGB unter Strafe.

Wann ist eine „Volksverhetzung“ strafbar?

Der Straftatbestand der Volksverhetzung schützt den öffentlichen Frieden, das friedliche Zusammenleben im Staat und die Menschenwürde bzw. die Menschlichkeit. Der Straftatbestand kennt verschiedene Handlungsweisen, die mit unterschiedlichen Strafen bedroht sind.

Aufstacheln zu Hass oder Aufforderung zur Gewalt (Abs. 1)

Der Volksverhetzung strafbar macht sich nach Absatz 1, wer gegen Bevölkerungsgruppen oder gegen Einzelne aufgrund der Zugehörigkeit zu einer Bevölkerungsgruppe zum Hass aufstachelt oder zu Gewalt auffordert.

Strafbar macht sich auch, wer die Menschenwürde dadurch angreift, dass er Bevölkerungsgruppen oder Einzelne wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Bevölkerungsgruppe „beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet“.

Eine Bevölkerungsgruppe oder Teile einer Bevölkerungsgruppe sind solche, die durch ihre politische oder weltanschauliche Überzeugung oder durch soziale oder wirtschaftliche Verhältnisse als besondere Gruppe erkennbar sind. Beispiele sind z.B.

  • Ausländer
  • Juden
  • Türken
  • Sinti und Roma („Zigeuner“)
  • Flüchtlinge etc.     

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Vom Tatbestand umfasste Handlungen sind z. B. Hetzjagden, Parolen mit der Aufforderung zum Verlassen des Landes, Flugblätter, Posts und Kommentare im Internet etc.

Eine bloße Äußerung kann den Straftatbestand der Volksverhetzung noch nicht erfüllen. Hinzu kommen muss stets z. B: die Aufforderung zu Hass oder Gewalt gegen eine bestimmte Gruppe. Daher ist nicht jeder ausländerfeindlicher Kommentar eine Straftat. So ist die Aufschrift auf einem Plakat: „Die Überfremdung ist ein Kreuzzug gegen das eigene Volk“ nicht als Volksverhetzung strafbar.

Noch mehr als bei anderen Delikten kommt es hier immer auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an.

Verbreiten oder öffentlich zugänglich machen (Abs. 2)

Nach Absatz 2 ist unter Strafe gestellt, wenn die volksverhetzende Äußerung verbreitet oder öffentlich zugänglich gemacht wird. Ein Verbreiten kann z.B. durch ein Versenden via WhatsApp geschehen. Ein öffentliches Zugänglichmachen liegt bei dem Teilen eines Internet-Post oder eines Youtube-Videos vor.

Leugnung des Holocausts (Abs. 3 und 4)

In Absatz 3 und Absatz 4 des § 130 StGB wird die Leugnung, Verharmlosung, Rechtfertigung oder Verherrlichung der nationalsozialistischen Herrschaft unter Strafe gestellt.

Dies umfasst vor allem Fälle der Holocaustleugnung und der sogenannten „Auschwitz-Lüge“. Diese Tatbestandsalternativen sind häufig Gegenstand verfassungsrechtlicher Diskussionen. Die Norm wird allerdings allgemein als verfassungsgemäß angesehen. Insbesondere ist kein Berufen auf die Meinungsfreiheit möglich, da es sich bei der Leugnung von Taten während der Zeit des Nationalsozialismus, und insbesondere bei der Leugnung des Holocausts, um unwahre Tatsachenbehauptungen handelt.

Die Leugnung des Holocausts und der Verbrechen während der nationalsozialistischen Herrschaft ist seit 1994 mit Strafe bedroht.

Leugnen von Völkerstraftaten (Abs. 5) 

Der Absatz 5 wurde im Dezember 2022 neu eingeführt. Danach wird die Leugnung oder Verharmlosung von völkerrechtlichen Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch (kurz: VStGB) unter Strafe gestellt. Hierzu zählen unter anderem Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen (vgl. §§ 6 ff. VStGB).

Volksverhetzung

Vorsatz

Der Täter muss die Volksverhetzung vorsätzlich begangen haben. Er muss diese also mit Wissen und Wollen des Straftatbestandes verwirklicht haben. Hierbei ist ausreichend, dass der Täter die Volksverhetzung billigend in Kauf genommen und zumindest für möglich gehalten hat (sog. Eventualvorsatz), soweit das Gesetz begrifflich nicht Absicht, also zielgerichtetes Wissen, voraussetzt.

Handelt der Täter jedoch nur fahrlässig, also lässt er „nur“ die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht, so liegt keine Volksverhetzung vor, da das Gesetz eine solche Tat nicht unter Strafe stellt.

Versuch

Der Versuch der Volksverhetzung ist nur bei den Handlungen nach § 130 Abs. 1 StGB (iVm. §§ 23 I, 12 I StGB) und nach § 130 Abs. 2 Nr. 1 (iVm. Abs. 5, 6) StGB strafbar.

Ein Versuch liegt bereits dann vor, wenn der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar angesetzt hat (§ 22 StGB). Hierfür muss der Täter die Schwelle zum „Jetzt-geht’s-los“ überschritten haben und es muss unmittelbar eine Verletzung bevorstehen. Zudem muss der Täter mit dem Entschluss zur Tat, also vorsätzlich gehandelt haben.

Strafantrag

Bei der Volksverhetzung handelt es sich um ein sog. Offizialdelikt. Das bedeutet, dass eine solche Straftat durch die Strafverfolgungsbehörde (Staatsanwaltschaft) bei Kenntniserlangung von Amts wegen verfolgt wird. Ein Antrag durch den Geschädigten oder dessen gesetzlichen Vertreter ist daher nicht erforderlich.

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Beispiele aus der Praxis

Die denkbaren strafbaren Äußerungen sind zu vielfältig, um sie einzeln aufzählen zu können. Hier nur einige Beispiele für den Strafbestand der Volksverhetzung gem. § 130 StGB:

„Erschießung und Vergasung von Asylbewerbern“

Das Schreiben über Erschießungen und Vergasungen von Asylbewerbern brachte einen 30-Jährigen eine sechsmonatige Freiheitsstrafe (auf Bewährung) ein.

„Ausländer raus!“ 

Drei Jugendliche nahmen an einer Demonstration teil. Passanten hatten Demonstranten die Parole „Ausländer raus!“ rufen hören. Die Jugendlichen distanzierten sich nicht von diesen Äußerungen und wurden wegen einer mittäterschaftlich begangenen Volksverhetzung verurteilt.

„Dreckssyrer-Pack“

Der Ausdruck „Dreckssyrer-Pack“ sowie das Posten eines Bildes von Adolf Hitler führte zu einer Geldstrafe von 130 Tagessätzen zu je 30 €.

„Gesocks“, „Affen“, „Ungeziefer“, „Kriminelles Pack“

Weil er Flüchtlinge auf Facebook als „Gesocks“, „Affen“, „Ungeziefer“ und „Kriminelles Pack“ betitelte, musste ein Angeklagter eine Geldstrafe in Höhe von 3.750 € zahlen.

Volksverhetzung

„Hängt dem Adolf Hitler den Nobelpreis um“

Der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigte eine Verurteilung eines 30-Jährigen Sängers, der „Hängt dem Adolf Hitler den Nobelpreis um“ sang. Mit diesem Lied soll er die Ermordung der Juden im Nationalsozialismus gebilligt haben.

Volksverhetzung auf Facebook, WhatsApp & Co. 

Insbesondere in den Kommentarspalten von Online-Zeitschriften, in Foren und Blogs sowie auf Facebook, Twitter, Instagram & Co. sind häufig volksverhetzende Äußerungen zu lesen. Regelmäßig wird in der Presse von Urteilen gegen Facebook-Kommentatoren berichtet.

Dabei ist das Internet bei Weitem nicht so anonym, wie es viele Leute glauben. Häufig können die Polizei und Staatsanwaltschaft die Identität des Kommentators kurzfristig nachweisen. Das ist nur nachvollziehbar, wenn man sich vor Augen führt, wie viele Daten und Informationen über Soziale Netzwerke veröffentlicht werden.

Eine Straftat kann auch über Youtube-Videos oder im WhatsApp-Chat begangen werden.

Strafe

Für den Grundtatbestand der Volksverhetzung wird eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren angedroht. Eine Geldstrafe ist im Falle einer Verurteilung nicht mehr vorgesehen. Es droht damit eine Eintragung ins Führungszeugnis.

Die anderen Tatalternativen werden mit Geldstrafen oder Freiheitsstrafe bis maximal fünf Jahre geahndet.

Die konkrete Strafe im Einzelfalls ist immer von der Persönlichkeit des Täters und den Tatumständen abhängig. Maßgeblich ist z. B., ob die Äußerung öffentlich erfolgte, und von welcher Intensität und Schwere die Äußerung war. Ebenfalls ist maßgeblich, ob es sich um eine einmalige Äußerung gehandelt hat oder ob der Beschuldigte bereits mehrfach ähnliche Äußerungen getätigt hat.

Der Nachweis einer strafbaren Volksverhetzung ist häufig schwierig. In vielen Fällen kann eine Einstellung im Ermittlungsverfahren erreicht werden.

Neben den reinen strafrechtlichen Folgen kann ein Verfahren wegen des Tatvorwurfs der Volksverhetzung auch arbeitsrechtliche Konsequenzen mit sich bringen. Werden rassistische Äußerungen gegenüber Kollegen abgegeben, kann dies eine fristlose Kündigung rechtfertigen.

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Volksverhetzung und Meinungsfreiheit

Der Straftatbestand der Volksverhetzung steht immer im Spannungsfeld zwischen von der Meinungsfreiheit gedeckten Äußerungen, dem Persönlichkeitsrecht und strafbaren Äußerungen.

Das Grundrecht der Meinungsfreiheit garantiert nicht nur die Äußerung von „genehmen Ansichten“, sondern insbesondere auch, dass „unangenehme Äußerungen“ getätigt werden dürfen. Die verfassungsrechtlich garantierte Meinungsfreiheit soll und muss dabei weit reichen, und darf nicht „über Gebühr“ durch einfache Gesetze eingeschränkt werden.

Gleichwohl kann auch das Grundrecht auf Meinungsfreiheit nach Art. 5 GG nicht unbeschränkt gelten.

Volksverhetzung gegen Deutsche

Die AfD (Alternative für Deutschland) hat vorgeschlagen, den § 130 StGB dahingehend zu ändern, dass Volksverhetzung auch gegen Deutsche zukünftig strafbar sein soll.

Der Tatbestand soll also dahingehend geändert werden, dass auch die „Deutschen“ ein „geeignetes Tatobjekt einer Volksverhetzung“ sein können. Von den Vertretern dieser Auffassung wird kritisiert, dass der Tatbestand der Volksverhetzung politisch genutzt wird, um kritische Äußerungen zu kriminalisieren. Dieser Vorschlag stieß auf breite Kritik.

Eine Ausdehnung des Straftatbestandes ist bereits nicht erforderlich, „um die Deutschen zu schützen“, da Äußerungen gegenüber Deutschen („Scheiß Deutscher“, „Scheiß Kartoffel“) bereits dem Tatbestand der Beleidigung (§ 185 StGB) unterfallen, und entsprechend angezeigt und verfolgt werden können. Sofern zu Straftaten aufgerufen wird, greift bereits § 126 StGB („Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten“) bzw. § 111 StGB („Öffentliche Aufforderung zu Straftaten“).

Schließlich ist der Tatbestand der Volksverhetzung historisch gewachsen, und dient dazu, Minderheiten vor rassistischen Angriffen zu schützen. Ein fremdenfeindliches Klima gegenüber Minderheiten soll verhindert werden. Dieser Gedanke würde gänzlich ins Gegenteil verkehrt werden, wenn die AfD nun versucht, Deutsche als Opfer von Ausländern hinzustellen.

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