Vorenthalten von Arbeitsentgelt

In der Arbeitswelt bedarf es ein gewisses Maß an Vertrauen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Sollte dieses jedoch missbraucht werden, kann es zu der Straftat „Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt“ gem. § 266a StGB kommen. Was genau darunter zu verstehen ist und welche Strafen drohen, erfahren Sie im folgenden Beitrag.

Autor

Tommy Kujus

Aktualisiert

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    Das sagt das Gesetz: § 266a StGB

    (1) Wer als Arbeitgeber der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

    (2) Ebenso wird bestraft, wer als Arbeitgeber

    1. der für den Einzug der Beiträge zuständigen Stelle über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder
    2. die für den Einzug der Beiträge zuständige Stelle pflichtwidrig über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt
    und dadurch dieser Stelle vom Arbeitgeber zu tragende Beiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält.

    (3) Wer als Arbeitgeber sonst Teile des Arbeitsentgelts, die er für den Arbeitnehmer an einen anderen zu zahlen hat, dem Arbeitnehmer einbehält, sie jedoch an den anderen nicht zahlt und es unterlässt, den Arbeitnehmer spätestens im Zeitpunkt der Fälligkeit oder unverzüglich danach über das Unterlassen der Zahlung an den anderen zu unterrichten, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Satz 1 gilt nicht für Teile des Arbeitsentgelts, die als Lohnsteuer einbehalten werden.

    (4) In besonders schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

    1. aus grobem Eigennutz in großem Ausmaß Beiträge vorenthält,
    2. unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Beiträge vorenthält,
    3. fortgesetzt Beiträge vorenthält und sich zur Verschleierung der tatsächlichen Beschäftigungsverhältnisse unrichtige, nachgemachte oder verfälschte Belege von einem Dritten verschafft, der diese gewerbsmäßig anbietet,
    4. als Mitglied einer Bande handelt, die sich zum fortgesetzten Vorenthalten von Beiträgen zusammengeschlossen hat und die zur Verschleierung der tatsächlichen Beschäftigungsverhältnisse unrichtige, nachgemachte oder verfälschte Belege vorhält, oder
    5. die Mithilfe eines Amtsträgers ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht.

    (5) Dem Arbeitgeber stehen der Auftraggeber eines Heimarbeiters, Hausgewerbetreibenden oder einer Person, die im Sinne des Heimarbeitsgesetzes diesen gleichgestellt ist, sowie der Zwischenmeister gleich.

    (6) In den Fällen der Absätze 1 und 2 kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn der Arbeitgeber spätestens im Zeitpunkt der Fälligkeit oder unverzüglich danach der Einzugsstelle schriftlich

    1. die Höhe der vorenthaltenen Beiträge mitteilt und
    2. darlegt, warum die fristgemäße Zahlung nicht möglich ist, obwohl er sich darum ernsthaft bemüht hat.
    Liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 vor und werden die Beiträge dann nachträglich innerhalb der von der Einzugsstelle bestimmten angemessenen Frist entrichtet, wird der Täter insoweit nicht bestraft. In den Fällen des Absatzes 3 gelten die Sätze 1 und 2 entsprechend.

Was ist das „Vorenthalten von Arbeitsentgelt“?

Eine solche Tat liegt vor, wenn der Täter vorsätzlich Arbeitnehmer- bzw. Arbeitgeberbeiträge oder Arbeitsentgeltanteile nicht abführt. Der Täter muss also vorsätzlich seine gesetzlich vorgeschriebenen Aufgaben in Bezug auf das Entgelt seines Arbeitnehmers oder treuhänderische Vereinbarungen verletzen.

Wann ist das „Vorenthalten von Arbeitsentgelt“ strafbar?

Der Straftatbestand schützt neben dem Interesse der Solidargemeinschaft an der Sicherstellung des nationalen Sozialversicherungsaufkommens auch das Vermögen des betroffenen Arbeitnehmers.

Das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer setzt in gewissem Maße ein besonderes Vertrauen voraus. Neben dem rein beruflichen Arbeitsverhältnis können darüber hinaus auch persönliche, mithin freundschaftliche Verhältnisse und/oder treuhänderische Verwaltungsverhältnisse hinsichtlich Geldleistungen und Transaktionen entstehen.

Um sich nach § 266a StGB strafbar zu machen, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein.

Tatsubjekt: Arbeitgeber

Täter kann nur der Arbeitgeber oder eine ihm gleichgestellte Person sein. Nach § 266a Abs. 5 StGB sind der Auftraggeber eines Heimarbeiters, eines Hausgewerbetreibenden oder einer Person im Sinne des Heimarbeitsgesetzes (HAG) dem Arbeitgeber gleichgestellt.

Vorenthalten von Arbeitsentgelt

Tathandlung

Der Täter kann den Straftatbestand nach § 266a StGB durch eines der drei nachfolgenden Handlungen verwirklichen.

Die Nichtabführung von Arbeitnehmerbeiträgen: § 266a Abs. 1 StGB

Der Arbeitgeber (Täter) macht sich nach § 266a Abs. 1 StGB strafbar, wenn er Arbeitnehmeranteile vorenthält. Der Arbeitgeber schuldet dem Arbeitnehmer für seine vertraglich vereinbarten (Dienst-)Leistungen ein Arbeitsentgelt (Bruttolohn). Dabei ist der Arbeitnehmer gesetzlich verpflichtet, von diesem Bruttolohn einen Teil abzuführen. Hierzu zählen insbesondere Steuern an das Finanzamt und Sozialbeträge wie Renten- und Krankenversicherung an die Krankenkasse.

Aus praktischen und zuverlässigen Gründen obliegt diese Aufgabe, nämlich die Abführung dieser Beiträge, dem Arbeitgeber. Zahlt der Arbeitgeber die Sozialversicherungsbeiträge bei Fälligkeit nicht, so ist der Tatbestand des Abs. 1 erfüllt. Führt er hingegen die Steuern nicht ab, so kommt eine Steuerhinterziehung nach § 370 AO (Abgabenordnung) in Betracht.

Kann der Arbeitgeber die Zahlungen nicht leisten, weil er zahlungsunfähig ist, so entfällt nach der Rechtsprechung der Straftatbestand nur, wenn der Arbeitgeber seine Zahlungsunfähigkeit nicht pflichtwidrig hervorgerufen hat. Allerdings ist die Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen grundsätzlich immer vorrangig, insbesondere gegenüber anderen zivilrechtlichen Verbindlichkeiten.

Die Nichtabführung von Arbeitgeberbeiträgen: § 266a Abs. 2 StGB

Der Arbeitgeber (Täter) macht sich nach § 266a Abs. 2 StGB strafbar, wenn er seine Beiträge der Sozialversicherung für den Arbeitnehmer vorenthält. Neben den Beiträgen, die der Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber von seinem Bruttolohn abführen muss, ist auch der Arbeitgeber verpflichtet, einen Teil der Sozialversicherungsbeiträge zu übernehmen. Macht der Arbeitgeber dann hinsichtlich dieser Beiträge unrichtige oder unvollständige Angaben über erhebliche Tatsachen bei der zuständigen Stelle oder lässt diese Stelle pflichtwidrig über erhebliche Tatsachen in Unkenntnis und zahlt die Beiträge nicht, so ist der Tatbestand des Absatz zwei erfüllt. Allein die Nichtzahlung der Arbeitgeberbeiträge reicht nicht aus.

Die Nichtabführung von Arbeitsentgeltanteilen: § 266a Abs. 3 StGB

Der Arbeitgeber (Täter) macht sich nach § 266a Abs. 3 StGB strafbar, wenn er treuhänderisch einbehaltene Teile des Arbeitsentgelts für den Arbeitnehmer nicht wie vereinbart abführt. Der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer können außerhalb der gesetzlichen Pflichten zur Abführung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträge vereinbaren, dass der Arbeitgeber einen weiteren Teil des Bruttolohn einbehält, um sie vermögenrechtlich zu verwalten. Das kann dem Zweck der vertraglich vereinbarten Leistungen zur Altersvorsorge, der freiwilligen Zahlungen an die Pensionskasse sowie Zahlungen an Dritte aufgrund von Pfändungen oder Abtretungen sein oder wenn der Arbeitgeber eine bestimmte Summe zum privaten Sparen für den Arbeitnehmer auf ein Konto anlegt.

Vorsatz

Der Täter muss die Vorenthaltung bzw. Veruntreuung vorsätzlich begangen haben. Er muss diese also mit Wissen und Wollen des Straftatbestandes verwirklicht haben. Hierbei ist ausreichend, dass der Täter seine Handlungen billigend in Kauf genommen und zumindest für möglich gehalten hat (sog. Eventualvorsatz).

Versuch

Der Versuch ist nach §§ 23 Abs. 1, 12 Abs. 1 StGB straflos.

Vorenthalten von Arbeitsentgelt

Strafantrag

Bei der Vorenthaltung bzw. Veruntreuung von Arbeitsentgelt handelt es sich um ein sog. Offizialdelikt. Das bedeutet, dass eine solche Straftat durch die Strafverfolgungsbehörde (Staatsanwaltschaft) bei Kenntniserlangung von Amts wegen verfolgt wird. Ein Antrag durch den Geschädigten oder dessen gesetzlichen Vertreter ist daher nicht erforderlich.

Strafe

Die Vorenthaltung bzw. Veruntreuung nach § 266a Abs. 1, Abs. 2 bzw. Abs. 3 StGB wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit einer Geldstrafe bestraft.

Liegt ein besonders schwerer Fall nach § 266a Abs. 4 StGB in den Fällen des § 266a Abs. 1 oder Abs. 2 StGB vor, so wird mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Ein solcher Fall liegt beispielswiese vor, wenn der Täter aus groben Eigennutz oder als Mitglied einer Bande, ein Zusammenschluss von mindestens drei Personen, handelt.

Das Gericht kann nach seinem Ermessen auch von der Strafe absehen, wenn der Arbeitgeber spätestens im Zeitpunkt der Fälligkeit oder unverzüglich danach die Höhe der nichtgezahlten Beiträge der zuständigen Stelle mitteilt und schriftlich begründet bzw. die Beträge innerhalb einer bestimmten Frist nachzahlt (vgl. § 266a Abs. 6 StGB).

Häufige Fragen

  • Was bedeutet “Arbeitsentgelt”?

    Arbeitsentgelt umfasst alle finanziellen Vergütungen des Arbeitgebers, insbesondere Lohn und Gehalt.

  • Was ist “Lohnsplitting”?

    Lohnsplitting ist eine Variante der Schwarzarbeit. Hierbei arbeitet der Arbeitnehmer tatsächlich für einen Arbeitgeber. Formell, also “auf dem Papier”, arbeitet er jedoch für mehrere Arbeitgeber. Der Lohn kann hierdurch aufgeteilt werden. Das spart Kosten hinsichtlich der Abgabe von Sozialversicherungsbeiträgen (”Lohnnebenkosten”).

  • Ist “Lohnsplitting” strafbar?

    Das bewusste und gewollte Umgehen des Abführens von Sozialversicherungsbeiträgen kann den Tatbestand des § 266a StGB erfüllen. Darüber hinaus muss mit der Nachzahlung der Sozialversicherungsbeiträge gerechnet werden.

  • Ändert das mündliche Abschließen eines Arbeitsvertrages oder gar kein Abschließen eines Arbeitsvertrages etwas an der möglichen Strafbarkeit?

    Für gewöhnlich macht man sich auch bei nur mündlichem oder fehlendem Arbeitsvertrag strafbar, soweit man die Sozialversicherungsbeiträge des Arbeitnehmers vorenthält. Ein Arbeitsvertrag kann auch mündlich oder durch schlüssiges Verhalten geschlossen werden, daher kommt es nur darauf an, dass der Arbeitnehmer mit der Arbeit begonnen hat.

  • Liegt eine Strafbarkeit vor, wenn Firmengelder anderweitig ausgegeben wurden und damit Zahlungsunfähigkeit hinsichtlich der Sozialversicherungsbeiträge eintritt?

    Gem. § 266a StGB führt eine vollständige Zahlungsunfähigkeit zum Nichteintritt der Strafbarkeit. Allerdings gilt dies nicht, wenn Firmengelder etc. bewusst aufgebraucht werden und die Zahlungsunfähigkeit absehbar ist. Vor der Ausgabe von Firmengeldern muss also darauf geachtet werden, ob die Sozialversicherungsbeiträge noch abgedeckt werden können.

  • Wann tritt die Verjährung bei Vorenthaltung und Veruntreuung von Arbeitsentgelt ein?

    Die Verjährungsfrist beträgt für das Grunddelikt (§ 266a Abs. 1, 2 StGB) fünf Jahre. Allerdings beginnt die Verjährung erst mit Beendigung der Tat. Beendet ist der § 266a Abs. 2 Nr. 1 StGB, wenn der Fälligkeitszeitpunkt verstrichen ist. Der § 266a Abs. 2 Nr. 2 StGB, die “Unterlassungsvariante”, ist dagegen erst beendet, wenn die sozialversicherungsrechtliche Beitragsfrist erloschen (erst nach 30 Jahren) ist.

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